Es gibt keine genaue Vermögensliste

Die Kirchen wissen nicht, wie reich sie sind

Bonn/Hannover (dpa) - Der Reichtum der Kirchen, die immer wieder Armut predigen, ist seit Jahrhunderten ein beliebtes Thema für Schmähschriften. In dieser Woche stellte der "Spiegel" die Kirchen in aller Ausführlichkeit als die "reichsten Unternehmer der Republik" vor.

Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf eine im Dezember erscheinende Studie des Hamburger Politologen Carsten Frerk. "Ich wollte einfach wissen, wie reich die Kirchen nun wirklich sind", sagt Frerk. Sein Ergebnis: "Es ist verblüffend, wie wenig die Kirchen selbst über ihr Vermögen wissen."

Auf evangelischer wie auf katholischer Seite nicken die Köpfe. "Es stimmt", sagt Thomas Krüger, Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), "unsere letzte Finanzstatistik ist von 1984." Und auch die gebe nur Auskunft über Einnahmen und Ausgaben, nicht aber über sonstige Vermögenswerte.

Sein katholisches Pendant zuckt ebenfalls mit den Schultern. "Wir haben einfach keine Übersicht: Es gibt nirgendwo eine zentrale Aufstellung", sagt der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Rudolf Hammerschmidt.

Der Grund liegt in erster Linie in der Aufsplitterung der beiden großen Kirchen in eine unübersehbare Zahl von Institutionen, die zum Teil finanziell selbstständig sind. So gibt es in Deutschland 24 evangelische Landeskirchen und 27 katholische Diözesen.

In ihnen gibt es Tausende von Pfarrgemeinden und kirchlichen Einrichtungen, von Stiftungen und Vereinen, die alle nicht unter einem juristischen Dach zu fassen sind. Hinzu kommen zahlreiche Vermögenswerte wie Kunstschätze, Beteiligungen, Immobilien, Anlagegelder.

Frerk, der nach eigenem Bekunden ungetauft und von reiner wissenschaftlicher Neugier angetrieben ist, wollte sich ursprünglich sechs Monate Zeit für den kirchlichen Kassensturz nehmen. Daraus wurden dann drei Jahre. "Erst dachte ich, die verheimlichen mir was", berichtet er, "aber dann merkte ich, dass diese Zahlen einfach nicht existieren." In langwieriger Kleinarbeit wertete er Haushaltspläne, Geschäftsberichte und Staatskirchenverträge aus.

Die Zahlen, die er nennt, vermag in den beiden Kirchen noch niemand zu bestätigen oder zu korrigieren. Ohne die Kunstschätze - denn wer würde schon den Kölner Dom kaufen? - kommt der Politologe auf eine kirchliche Gesamtsumme von 981,1 Milliarden Mark (500,6 Milliarden Euro).

Den größten Posten machen Grundbesitz und Immobilien mit 409,3 Milliarden Mark aus. Dazu zählt beispielsweise ein Luxushotel am Berliner Gendarmenmarkt im Besitz eines Immobilienfonds der EKD. Das Kapitalvermögen veranschlagt Frerk auf 172 Milliarden, "davon 50 belegbar und 122 begründet geschätzt".

In der evangelischen Kirche ist die Unzufriedenheit über den fehlenden Überblick inzwischen so groß, dass eine neue Finanz- und Grundstücksstatistik geplant ist. Sie soll vor allem auch den veränderten Verhältnissen seit der Wiedervereinigung Rechnung tragen.

"Aber das wird sicher noch einige Jahre dauern", meint Krüger. Bei den Katholiken gibt man sich vorsichtiger. "Die Diözesen sind eigenständig und gegenüber Zentralismus äußerst empfindlich", erläutert Hammerschmidt. Eine Rechenschaftspflicht würde daher sicher auf Widerstand bei den Betroffenen stoßen.

Und was fängt die Kirche nun mit ihren Reichtümern und den insgesamt etwa 17 Milliarden Mark Kirchensteuern im Jahr an? "Wir sind ein äußerst personalintensives Unternehmen", betont der EKD- Sprecher. So dienten die Anlagen auch der Absicherung der Pensionen kirchlicher Mitarbeiter.

"Das können wir unmöglich aus dem laufenden Haushalt finanzieren." Die katholischen Bischöfe verweisen außerdem auf die Schulen, Sozialeinrichtungen und Projekte der Entwicklungshilfe, in die das Geld der katholischen Kirche fließe. Ihr Sprecher bilanziert: "Reich sein ist keine Schande, es kommt ganz darauf an, was man mit dem Geld macht."

(Carsten Frerk: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland, Alibri Verlag, Aschaffenburg, 436 S., DM 48,--/Euro 24,54; ISBN 3932710398)

Deutsche Bischofskonferenz: www.dbk.de
Evangelische Kirche in Deutschland: www.ekd.de

 

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