Carsten Frerk / Christoph Baumgarten:
Gottes Werk und unser Beitrag. Kirchenfinanzierung in Österreich

 

Weitere Informationen siehe:

http://www.czernin-verlag.com/buch/gottes-werk-und-unser-beitrag

 

Carsten Frerk / Christoph Baumgarten

unter Mitarbeit von
Niko Alm, Christian Fiala, Evelin Frerk,
Wolfgang Huber, Hanspeter Kriegl,
Jakob Purkarthofer, Sepp Rothwangl
und Monika Zacher

 

Gottes Werk

und unser Beitrag

Kirchenfinanzierung in Österreich



Inhalt

Vorwort    5
Einleitung    6

I. Kirchenbeitrag    21
Höhe und Aufkommen    24
Wer zahlt den Kirchenbeitrag?    25

II. Staatsleistungen    31
Religionsfonds / Kirchenfonds    31
Einnahmeverluste des Staates    35
Kostenlose Senderechte in den Medien    44
Seelsorge    46
Sport    52
Besonderes und Kommunales    54

III. Eigene Finanzierung und Vermögen der Kirche    60
Bistum, Erzbistum, Mensalgüter    62
Grund- und Forstbesitz    75
Immobilien    77
Erzdiözesen Wien und Salzburg    79
Kapital- und Sachvermögen    84
Die Ordensgesellschaften    87

IV. Bildung und Ausbildung    94
Kinderbetreuungsstätten    96
Konfessionsschulen    99
Religionsunterricht    108
Konfessionelle Pädagogische Hochschulen    113
Theologische Fakultäten    114
Kultusamt    120
Erwachsenenbildung    121

V. Soziales und Gesundheit    125
Caritas    127
Diakonie    134
Krankenhäuser    139

VI. Kultur, Bauunterhalt und Denkmalschutz    151
Denkmalpflege    151
Bauzuschüsse / Kostenübernahmen    167
Bücher und Zeitschriften    170
Musik    175
Museen und Archive    178
Heimat- und Brauchtumspflege    180

VII. Internationales    182
Entwicklungshilfe-/Missionsprojekte    182
Osteuropa    186

VIII. Wirtschaftsunternehmen der Kirchen    193
Banken und Beteiligungen    193
Bau- und Siedlungsgesellschaften    206
Studentenwohnheime    217
Medienunternehmen    223
Wirtschaft im Raum der Kirchen    230

IX. Zusammenfassung    237

Quellen / Links    238

Vorwort
Das Konzept für dieses Buch wurde im Herbst 2011 entwickelt, als sich zeigte, dass die katholische Kirche in Österreich sich durch nichts beirren ließ, ihre traditionelle Grundhaltung „Wir tun doch so viel Gutes“ selbstkritisch zu hinterfragen und zu erläutern, wer es denn bezahlt, das Gute.
Als weiteres Element kam hinzu, dass die Engagierten des „Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien“ immer wieder zu hören bekamen, dass die Kirchen und die staatlich anerkannten Religionsgesellschaften gar keine Privilegien hätten. Das war zu klären.
Das Buch erhebt keinerlei Anspruch darauf, eine komplette Darstellung der Finanzen und des Vermögens der Kirchen zu liefern, was faktisch auch gar nicht möglich wäre, da zu viele Sachinformationen zu diesem Thema von der Kirche immer noch verschwiegen werden und der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
In ausgewählten Themenschwerpunkten werden Fragen der Finanzierung von kirchlichen Einrichtungen und Dienstleistungen geklärt und deren Volumen möglichst genau benannt. Dabei wird alles als „Kirche“ bezeichnet, was ein normaler Mensch (und auch die Kirche selbst) als solche ansieht.
Neben dem Zusammentragen bereits vorhandener aber eher etwas verstreuter Informationen in einen Text, ist es so gelungen, bisher so nicht Bekanntes zusammenbringen. Damit entsteht das Bild der Finanzierung der Kirche in der Realität Österreichs, das bisher nicht vorhanden war.
Die Zahlen beziehen sich jeweils auf ein Jahr, sofern möglich ist es 2010, ansonsten 2009 oder 2011.
Als Ergänzung zum vorliegenden Buch gibt es eine Internetseite (www.kirchenfinanzierung.at) auf der sich neben weiteren Informationen auch viele Tabellen finden lassen, die im Buch aus Platzgründen nicht untergebracht werden konnten.

Carsten Frerk und Christoph Baumgarten
Wien, im Juni 2012
Einleitung
Österreich ist katholisch! Nun, ganz so einfach ist es zwar nicht mehr, aber historisch stimmt das schon.
Die Habsburger Monarchen galten als die katholischste Majestät im deutschen Sprachraum, mit strengem spanischem Hofzeremoniell und kaiserlichen Hoheiten. Nicht wie die Protestanten Preußens, der übermächtigen militärischen Konkurrenz, die aber dem katholischen Österreich kulturell natürlich nicht das Wasser reichen konnten. Mozart, Beethoven..., nein der war nicht Österreicher und auch eher Pantheist als Katholik.
Ja, so war es einmal, und immer noch steht Wien in der kulturellen Dominanz der Bauten aus den Zeiten katholischer Majestäten wie Franz II. oder Maria Theresia, die statt Kriege zu führen den Grundsatz beherzigte: „Tu felix Austria nube!“ (Du glückliches Österreich, heirate!).
Versuchen wir, uns dem „katholischen Österreich“ im heutigen politischen Alltag anzunähern.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht zu „Finanzen, Vermögen und Wirtschaft im Raum der Kirchen in Österreich“ zu passen scheint, seien deshalb Facetten erwähnt, die das Verhältnis von Staat und Kirche illustrieren. Da viele der Regelungen, die auch die Finanzen der Kirche betreffen, politische Entscheidungen sind, fragt sich, wie freundschaftlich diese „unbezahlbare“ Verbindung ist. Dafür einige wenige protokollarische Beispiele.
Wie viele andere Vereinigungen auch, hat die Kirche die Möglichkeit, ihre Mitgliedern und andere Menschen, die sich um diese Vereinigung verdient gemacht haben, mit Medaillen, Ehrenzeichen oder Orden entsprechend zu dekorieren.
So geschieht es auch, denn: „Jede Diözese hat ihre eigenen Orden und Auszeichnungen. Die Ehrenzeichen werden für besonders anerkennenswerte Verdienste im pastoralen oder in einem mit der Katholischen Kirche zusammenhängenden sozialen, kulturellen, gesellschaftspolitischen oder organisatorischen Bereich von der jeweiligen Diözese verliehen.“ Es gibt u.a. das „Ehrenzeichen vom Heiligen Stephanus“ in drei Klassen (Erzdiözese Wien), den „St. Martinsorden“ und die „Verdienstmedaille der Diözese“, jeweils in drei Klassen (Diözese Eisenstadt), „Florianmedaille“, „Severinmedaille“, „Wappenbrief“, jeweils in einer Klasse (Diözese Linz), „Verdienstorden der Heiligen Rupert und Virgil“ in vier Klassen (Erzdiözese Salzburg), „Hemma-Medaille“, „Modestus-Medaille“, jeweils in drei Klassen (Diözese Gurk), „Ehrenzeichen der Diözese“ in Gold und Silber, „Petrus Canisiusorden“ (Diözese Innsbruck) und „Orden des Heiligen Georg des Militärbischofs des österreichischen Bundesheeres“ in neun Klassen (Österreichische Militärdiözese).
Doch bei der Verleihung staatlicher Dekorationen für kirchliche Verdienste geschieht etwas anderes: In der Gleichstellung von staatlichen Akteuren/Ehrenzeichen und kirchlichen Mitarbeitern werden die Partikularinteressen der Kirche gleichsam als gesellschaftlich wichtig und für alle Bürger als nützlich anerkannt. Dies entspricht jedoch nicht der Realität, da staatliche und kirchliche Zwecke nicht identisch sind und zudem eine derartige Gleichsetzung, wie sie vielleicht 1960 noch als Traditionsbestand ironisch lächelnd hinzunehmen gewesen wäre, heute, bei weniger als zwei Dritteln der Bevölkerung katholischer Kirchenmitglieder, nicht mehr zeitgemäß ist. Worum geht es?
Das „Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ gibt es in zehn Stufen, das Verdienstzeichen in fünf Stufen. Die Vergabe erfolgt nach bestimmten protokollarischen Regeln. Unser Augenmerk gilt den klerikalen unter den Ausgezeichneten.
Wie zu erwarten findet sich unter den Trägern der höchsten Stufe, dem „Groß-Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“, das Staatsoberhäuptern vorbehalten ist, kein Religionsführer. Auch der römisch-katholische Papst, erhielt den Orden anlässlich seines Besuches 2007 nicht verliehen, obwohl er doch - wie es heißt - Staatsoberhaupt des Staates der Vatikanstadt sein soll.
In der zweiten Stufe, „Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich“ (Rangstufe: Minister und Botschafter) finden sich dann aber auch klerikale Träger: Jean-Louis Tauran, Kurienkardinal (1999), Donato Squicciarini, katholischer Erzbischof und Apostolischer Nuntius in Österreich (2000), Georg Zur, katholischer Erzbischof und Apostolischer Nuntius in Österreich (2005), Christoph Kardinal Schönborn, Theologe und Erzbischof von Wien (2007).
In der dritten Klasse, „Großes Silbernes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich“ (Rangstufe: Bürgermeister, Landeshauptleute, Verbandspräsidenten, Politiker) gibt es keine Klerikalen, dafür aber in der vierten Stufe, „Großes Goldenes Ehrenzeichen mit dem Stern…“ (Rangstufe: Landtagspräsidenten, Obleute, Prominente, Unternehmer) dann reichlich: Robert Nünlist, Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde (1966), Dieter Knall, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. (1990), Franz Žak, Bischof von St. Pölten (1992), Reinhold Stecher, Bischof von Innsbruck (1993), Kurt Krenn, Bischof von St. Pölten (2001), Paul Iby, Bischof von Eichstadt (2007), Klaus Küng, Bischof von St. Pölten (2007), Herwig Sturm, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. (2007), Christian Werner, Militärordinarius (2007), Josef Clemens, Kurienbischof im Vatikan (2008), Erwin Kräutler, Bischof von Xingu (2009), Richard Weberberger, Bischof von Barreiras (2009), Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbiner (2010), Michael Staikos, griechisch-orthodoxer Metropolit von Österreich (2011).
Auf den ‚unteren Rängen‘ wird es dann wieder deutlich lichter, aber deshalb nicht uninteressant. Ein „Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ (Rangstufe: Abgeordnete, Stadträte, Politiker) bekamen u.a. Johannes Schachling SJ, Provinzial (1987), Herwig Karzel, ev. Superintendent von Oberösterreich (1989), Christoph Kühn, vatikanischer Nuntiaturrat (2004), Franz Jantsch, Theologe und Autor (2005) und Georg Gänsewein, Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. (2009).
Der Letztgenannte wurde „u. a. wegen seiner Verdienste um den Papstbesuch 2007 in Österreich“ dekoriert. Inwiefern es sich dabei um einen „Verdienst um die Republik Österreich“ handelt, bleibt zu fragen.
Auch die Bundesländer verleihen jedes Jahr Ehrenzeichen und Verdienstmedaillen an Mitbürger, die sich um diese Auszeichnung verdient gemacht haben. Ein Beispiel aus Oberösterreich (2011) verdeutlicht, was damit gemeint ist, dass Österreich „katholisch“ sei, denn die Ausgezeichneten sind allesamt Katholiken, die in der Organisation der katholischen Kirche die verschiedensten Aufgaben haben bzw. hatten und sich deshalb verdient gemacht haben. Aber: Warum zeichnet sie der Staat aus?
„Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer überreichte am 29. November 2011 an verdiente Persönlichkeiten Landesauszeichnungen. […] Das „Goldene Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich“ erhielten: Mag.a Elisabeth Kamptner, Pfarrassistentin in der Pfarre Steyr-Christkindl sowie Vorsitzende der Frauenkommission der Diözese Linz, aus Garsten / Professor Konsistorialrat Peter Paul Kaspar, Rektor der Ursulinenkirche Linz, Akademiker- und Künstlerseelsorger, aus Linz / Mag. Rolf Sauer, Leiter der Abteilung Ehe und Familie des Pastoralamtes der Diözese Linz, aus Linz.
Das „Silberne Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich“ erhielten neun Katholiken, u.a. ein Pfarrassistent, der stellvertretende Referatsleiter im Kirchenbeitragsreferat der Diözesanfinanzkammer Linz sowie die Leiterin der Kirchenbeitragsstelle Braunau am Inn.
Dass die staatlich Ausgezeichneten auch in anderer Hinsicht so behandelt werden, als seien sie ein Teil des politischen Systems, zeigte sich Mitte Jänner 2012, als eine, wie es zuerst hieß „Pipifax-Maßnahme“, für öffentliche Diskussionen und Titelblätter sorgte: die Novelle zum Passgesetz. Die bisher recht großzügigen Auslegungen der Bestimmungen für die Ausstellung eines Diplomatenpasses der Republik Österreich sollten präzisiert werden. Rund 2.500 Diplomatenpässe waren ausgestellt worden, auch an die Ehefrauen von Ex-Politikern und Familienangehörige.
Ebenso war mit dieser Privilegierung eines Diplomatenstatus der Republik auch Christoph Kardinal Schönborn bedacht worden. Die Erzdiözese gab dazu die Auskunft: „Er hat ihn einfach so bekommen“ und als „hochrangiger Vertreter des Vatikans“ habe der Kardinal bisher ein „Anrecht“ darauf gehabt. Das Außenamt verwies in seiner Begründung auf den früheren Kardinal König, den kirchenpolitische Reisen auch in krisengefährdete Gebiete geführt hätten, wofür der Diplomatenstatus ein gewisser Schutz gewesen sei.
Eine erste Frage wäre, warum „kirchenpolitische Reisen“ für den Staat überhaupt erwähnenswert sind, das ist doch eigentlich eine interne Sache der Kirche. Oder deckte sich hier „Kirchenpolitik“ mit „Staatsinteresse“? Und wenn ja, welches?
Eine zweite Frage, warum ein „hochrangiger Vertreter des Vatikans“, also einer auswärtigen Macht, nicht vom Vatikan diesen Diplomatenpass erhält sondern von der Republik Österreich, blieb ebenso unerwähnt, wie die Frage, inwiefern die Republik damit die Kirchenpolitik des Vatikans fördere.
Es wäre zudem eine Frage wert, ob Schönborn nicht ebenfalls einen vatikanischen Pass hält und somit rückwirkend die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verlieren sollen (vgl. §§ 27 und 29 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985).
Da nach den neuen Regelungen nur wenige Regierungsmitglieder und ausgewählte Politiker, die im diplomatischen Auftrag für die Republik unterwegs sind, diese Diplomatenpässe erhalten werden, waren alle anderen aufgefordert, diese bisherige Privilegierung zu beenden und innerhalb von drei Monaten diesen Pass zurückzugeben, auch seine christliche Eminenz der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn.
Im normalen Leben, unter Freunden, würde man sagen können „Eine Hand wäscht die andere“, wenn man sich gegenseitig gefällig ist. Ob das bei Fragen des kirchlichen Lebens auch angesagt ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Bei den voran gestellten Beispielen ging es um die Frage, wie gefällig die Politik gegenüber der Kirche ist, man kann die Fragestellung aber auch umkehren.
Ende Jänner 2012 wurde bekannt, dass Hildegard Burjan, ÖVP-Sozialpolitikerin und Begründerin der Schwesternschaft Caritas Socialis selig gesprochen werden soll. Sie sei damit „weltweit die erste demokratische Politikerin, die von der katholischen Kirche zur Ehre der Altäre erhoben wird“, so Kardinal Schönborn bei einer Festveranstaltung der ÖVP im Parlament. Sie sei Vorbild für eine „wertorientierte Politik“ bekräftigte Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), die im Widerspruch zu „Populismus und völliger Beliebigkeit“ stehe. Als Beispiel für „Beliebigkeit“ nannte der Bundesparteiobmann die Sterbehilfe.
Bei der Festsitzung des ÖVP-Parlamentsklubs waren auch die Justizministerin, der Wissenschaftsminister und der Generalsekretär der Bischofskonferenz anwesend. Die Seligsprechung erfolgte dann am 29. Jänner 2012 im Stephansdom durch Erzbischof Angelo Kardinal Amato. Anlässlich der Seligsprechung hat es im ORF fünf Sondersendungen gegeben, einschließlich der Direktübertragung aus dem Stephansdom.
Wenige Tage nach dem Hochamt im Stephansdom überreichte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), in seiner Funktion als Landeshauptmann, dem Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien mit dem Stern. Es ist die höchste Auszeichnung, die das Land vergeben kann.
Das mag man noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, aber geradezu wie eine Parodie auf die Realität liest sich dann die Begründung, welche Verdienste Schönborn sich, als Personifizierung der Erzdiözese, erworben habe: Es sei ein Zeichen der Dankbarkeit in Anbetracht der Leistungen der römisch-katholischen Kirche für die Stadt Wien, insbesondere durch die Caritas der Erzdiözese und die Ordensspitäler. Schönborn ließ zwar die Realität durchscheinen als er antwortete: „Ich fühle mich dieser Auszeichnung nicht würdig,…“, erläuterte jedoch nicht, dass die katholische Kirche die Arbeit der Caritas nur geringfügigst (unter zwei Prozent der Kosten) mit finanziert und die Ordensspitäler ebenfalls öffentlich finanziert werden. (Details dazu in den entsprechenden Abschnitten dieses Buches.) Das heißt, Kardinal und Kirche wurden für etwas geehrt, was sie selber so gar nicht für die Stadt getan haben, da es andere, unter anderem eben die Stadt und das Land selbst bezahlen.
Sicher ist jedenfalls, dass dieses Karussell der Dekorationen sich weiter und weiter drehen wird.
Eines der wesentlichsten Elemente dafür ist, vor allem im ländlichen Raum, die Selbstverständlichkeit, mit der dort der ortsansässige Kaplan Teil des öffentlichen Lebens ist.
Als es in der Marktgemeinde St. Florian 2011 nach 32 Jahren im Ärztehaus der Gemeinde einen Wechsel gab und, nach der Renovierung des Gebäudes, der neue Gemeindearzt begrüßt wurde, war außer den Kollegen und dem Bürgermeister wie selbstverständlich auch der Kaplan Klaus Sonnleitner in Ornat und Stola anwesend, der die frisch renovierten Praxisräume des Gemeindearztes erneut segnete. Frage: War der alte Segen beim Anstreichen etwa übertüncht worden?
Aber nicht nur auf kommunaler Ebene, auch national gibt es Identifikationen. So ist die Münze Österreichs, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Österreichischen Nationalbank, d.h. der staatlichen Zentralbank der Republik Österreich, kommerziell mit der katholischen Kirche ‚verbandelt‘, mit der, wie es dort heißt, allseits beliebten silbernen „Anlassmedaille“ zur Firmung.
Dazu steht auf der Internetseite der Staatsbank im Originaltext: „In der katholischen Kirche gilt die Firmung als Vollendung der Taufe. Sie wird auch als Sakrament des Heiligen Geistes bezeichnet und soll den jungen Menschen in seinem Glauben stärken. Der Firmling erneuert selbst das Glaubensbekenntnis, das andere bei seiner Taufe gegeben haben. Nach alter Tradition schwört er auch dem Teufel ab. Als Geschenk zur Firmung ist unsere spezielle Medaille besonders beliebt. […] Individualisieren Sie diese kleine Kostbarkeit, jetzt gleich in Ihrem Warenkorb. So einfach geht es: Sobald Sie diese Medaille in den Warenkorb gelegt haben, erhalten Sie die Möglichkeit Ihre persönliche Widmung in das dafür vorgesehene Textfeld einzufügen.“ Preis Euro 66,00 (inkl. 10% MwSt), im Etui mit Schuber.
Man sollte also nicht meinen, dass nur die Kirche mit religiösen Ritualen und Devotionalien Geld verdienen kann.
Allerdings spielt bei der Frage der Verknüpfung von Politik und Kirche nicht nur das personelle Netzwerk eine Rolle, sondern auch, mit welcher Vielzahl von Einrichtungen man es zu tun hat, wenn man sich mit „der Kirche“ beschäftigt. Das mag eine kurze Übersicht von Einrichtungen der katholischen Kirche mit öffentlich-rechtlicher Stellung verdeutlichen. Das sind z. B.: die Österreichische Bischofskonferenz, die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, die Vereinigung der Frauenorden, die Ordensinstitute, die Säkularinstitute, Gesellschaften apostolischen Lebens, (Erz)Diözesen, bischöfliche Mensalgüter (Bistümer), Pfarren, Pfarrkirchen, Pfarrpfründen, selbständige Stiftungen sowie andere mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Einrichtungen. Dazu kommen dann noch die Caritas und diverse Stiftungen.
Und dass diese Rechtsträgerschaften eine wesentliche Rolle spielen verdeutlicht auch die (komplizierte) Darstellung des österreichischen Städtebundes zur Kommunalsteuerpflicht.
Darin heißt es: „Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften, wie etwa die katholische Kirche, haben gemäß Art. 15 StGG das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung; katholisch-theologische Universitäten genießen die Rechtspersönlichkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Nach den einschlägigen Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen über Einrichtungen der katholischen Kirche, Orden und Kongregationen sowie der Diözesan-Caritas fällt die Seelsorge und auch die Heranbildung von Priestern unter die Ausübung der öffentlichen Gewalt. […] Der Betrieb einer katholisch-theologischen Privatuniversität ist im Hinblick auf Art. V § 1 des Konkordats als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren.“
Und „öffentliche Gewalt“ und „hoheitlich“ heißt durchaus, dass diese Einrichtungen eine eigene „Rechtshoheit“ neben dem Staat haben können.
Diese Darstellung von Rechtsträgern ist insofern erstaunlich, da es dem Staat vollkommen gleichgültig sein müsste, wie die katholische Kirche ihre innerorganisatorischen Rechtsbeziehungen ordnet und verwaltet. Nach dem römisch-kanonischen Kirchenrecht hat der Papst die oberste Verfügungsgewalt über das gesamte Kirchenvermögen: „Kraft des Leitungsprimats hat der Papst die oberste Verwaltung und Verfügung über alle Kirchengüter (Can. 1273). In einer weiteren Bestimmung (Can. 1256) heißt es u.a. „Das Eigentum am Vermögen steht unter der obersten Autorität des Papstes jener juristischen Person zu, die das Vermögen rechtmäßig erworben hat.“ Und alles wird verbunden aufgrund des „Bandes der Einheit und der Liebe“ (Can. 1271). Das heißt, es ist die Einheit des Vermögens unter der Autorität des Papstes, auch wenn es verschiedene Rechtsträger gibt.
Dieses Kanonische Recht findet sich Realität wieder, wenn in kirchlichen Veröffentlichungen, beispielsweise durch die Erzdiözese Wien, dargestellt wird, welche Einrichtungen und Träger zu ihr als katholisch gehören. Dort werden unter „Organisation“ aufgelistet: Pfarre & Gemeinde, Vikariate, Dekanate, Pfarren. Orden und Gemeinschaften, anderssprachige Gemeinden. Und weiterhin wird zu „Orden und Gemeinschaften“ geschrieben: „Das kirchliche Leben in der Erzdiözese Wien wird wesentlich von den Orden und geistlichen Gemeinschaften mitgetragen. 48 % der Pfarren sind in Ordenshand, viele Einrichtungen im sozialen, pflegerischen, bildnerischen, beraterischen Bereich werden von Orden geleitet.“ Eben, das Band der Einheit und der Liebe.
Wenn die diversen katholischen Rechtsträger allerdings nicht in der Lage sind, die von ihnen stets propagierten christlichen Werte der „Solidarität“ und der „Nächstenliebe“ untereinander zu praktizieren, dann sollte es ihr eigenes Problem sein und bleiben.
Da die katholische Kirche also nicht willens oder in der Lage ist, einen Finanzausgleich zwischen ihren verschieden vermögenden Rechtsträgern herzustellen – zwischen den angeblich armen Diözesen und den wohlhabenden Ordensgenossenschaften – dann ist das ein kircheninternes Thema und braucht den Staat eigentlich nicht zu interessieren. Es sei denn, er lässt sich für kirchliche Partikularinteressen in eine Zahlungsverpflichtung gegenüber den vorgeblich ärmeren Rechtsträgern nehmen.
Der Wiener Erzbischof bestätigte das Anfang Februar 2012 (evtl.: ungewollt?), als er das neue Infozentrum für Berufe in der Kirche „Quo Vadis“ am Stephansplatz einsegnete. Dabei rief er zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen Diözesen und Orden auf: „Bischöfen, Diözesen und Orden: Allen ist klar, es kann nur miteinander gehen.“ Die Segnung nahm Kardinal Schönborn gemeinsam mit Schwester Kunigunde Fürst, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden, und Pater Lorenz Voith, Vorsitzender der Wiener Superiorenkonferenz, vor. Die zahlreich anwesenden Ordensleute rief der Kardinal auf, durch ihr Wirken ein Zeichen gegen „Mutlosigkeit, Angst und Unsicherheit“ zu setzen.
Nun, da darf man gespannt sein, ob sich nun auch die Geldbörsen öffnen werden.
Wie erfolgreich jedoch bisher die verschiedensten kirchlichen Lobbyisten - getreu dem Motto: „Getrennt marschieren, getrennt kassieren“ - den Staat zur Kasse bitten, um sich ihre Partikularinteressen, die sie beständig als dem Gemeinwohl nützlich deklarieren, bezahlen zu lassen, das wird dieses Buch zeigen.
Und hinsichtlich dieser bereits benannten formalen Fragen und Zuständigkeiten soll noch auf einen weiteren Aspekt verwiesen werden, der einen einmaligen Tatbestand darstellt.
Die katholische Kirche in Österreich ist, mit allen ihren Untergliederungen und Rechtsträgern, Teil einer internationalen Organisation, die von einer im Ausland ansässigen Zentrale gelenkt wird.
Dass es sich dabei zudem um eine Organisation handelt, die von einem absoluten Monarchen regiert wird, der nach den Regeln einer mittelalterlichen Wahlmonarchie gewählt wurde, soll dabei außer Betracht bleiben.
Bemerkenswert ist an dieser Organisation, dass sie es politisch und rechtswirksam vermag, in die nationalen Souveränitätsrechte der Republik Österreich (wie auch in die anderer Staaten) einzugreifen, sich eine ganze Reihe von Vorrechten zusichern zu lassen und einen rechtseigenen Raum innerhalb des Staates zu bekommen, mit dem sich die kirchlichen Personen außerhalb des Zivil- und des Strafrechts stellen können.
Als Beispiel dafür sei das Konkordat vom Juni 1933 genannt, in dem es in Artikel XXII. u.a. heißt: „Alle anderen auf kirchliche Personen oder Dinge bezüglichen Materien, welche in den vorhergehenden Artikeln nicht behandelt wurden, werden dem geltenden kanonischen Recht gemäß geregelt werden.“
Rechtsgrundlagen sind dann nicht österreichische Gesetze und Entscheidungen sondern das christliche römisch-katholische Recht, das im Vatikan entschieden wird.
Entsprechend heißt es beispielweise in § 38 Abs. 1 des Universitätsgesetzes: „Die Universitäten, deren Wirkungsbereich sich auch auf Studien der Katholischen Theologie erstreckt, haben bei der Gestaltung ihrer inneren Organisation und der Studienvorschriften sowie bei der Sicherstellung des Lehr- und Forschungsbetriebs das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Österreich, BGBl. II Nr. 2/1934, zu beachten“.
Es ist keine andere religiöse internationale Organisation bekannt, der es in dieser Weise erlaubt wird, in nationale Rechte und Gesetze der Republik Österreich (wie auch in anderen Staaten) eingreifen zu dürfen.
Basis der so genannten Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften und der staatlichen Subventionen für Religionsgemeinschaften in Österreich ist das Konkordat mit dem Hl. Stuhl aus dem Jahr 1933. Es wurde unter dem austrofaschistischen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß abgeschlossen und gilt mit geringen Einschränkungen bis heute. Darüber hinaus gibt es den so genannten Vermögensvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Vatikan aus dem Jahr 1960 und das so genannte Schulkonkordat aus dem Jahr 1962. Beide schreiben Direkt-Zahlungen bzw. Subventionen an die römisch-katholische Kirche vor.
Ein weiterer grundlegender Bestandteil der Kirchenfinanzierung ist das Kirchenbeitragsgesetz aus dem Jahr 1939, eines jener NS-Gesetze, die bis heute gelten. Der Kirchenbeitrag ersetzte damals die Zahlungen aus dem sogenannten Religionsfonds. Aus diesem waren seit Kaiser Joseph II. die Gehälter der österreichischen Geistlichen gezahlt worden.
Diese Regelungen gelten dem Gleichheitsgrundsatz gemäß für alle derzeit 14 gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich. Das sind neben der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche:
·    Die altkatholische Kirche
·    Die armenisch-apostolische Kirche
·    Die evangelisch-methodistische Kirche
·    Die orientalisch-orthodoxe Kirche
·    Die griechisch-orientalische (orthodoxe) Kirche (inkl. der serbischen, rumänischen, russischen und bulgarischen Bekenntnisse)
·    Die Islamische Glaubensgemeinschaft
·    Die Israelitische Religionsgemeinschaft
·    Die Zeugen Jehovas
·    Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
·    Die Koptisch-Orthodoxe Kirche
·    Die Neuapostolische Kirche
·    Die Buddhistische Religionsgemeinschaft
·    Die Syrisch-Orthodoxe Kirche
Die genannten Religionsgemeinschaften genießen gegenüber allen anderen religiösen Bekenntnissen einige Privilegien, etwa das Recht auf staatlich finanzierten Religionsunterricht in Schulen oder das Recht, mit Hilfe staatlich erstellter Mitgliederlisten steuerlich absetzbare Kirchenbeiträge einzuheben.
Eine Systematik hinter den Anerkennungen gab es bis vor wenigen Jahren nicht, in den privilegierten Status wurden Religionsgemeinschaften mehr oder weniger nach politischem Bedarf oder politischer Willkür erhoben.
Die römisch-katholische Kirche (an die in Österreich auch unierte Riten wie die armenisch-katholische Kirche angegliedert sind) gilt etwa nur aus historischen Gründen als anerkannt. (Ausdruck dafür ist beispielsweise das Konkordat von 1933.) Für die ehemalige Staatskirche gibt es nicht einmal ein eigenes Anerkennungsgesetz – anders als für die Protestanten (1867/1961), die Altkatholiken (1874) und die Islamische Glaubensgemeinschaft (1878/1912). Die Mormonen wurden auf Druck der Alliierten nach dem 2. Weltkrieg anerkannt, für Buddhisten und Orthodoxe gibt es ebenfalls eigene Anerkennungsgesetze. Die Herrnhuter Brüdergemeine galt bis 2010 ebenfalls als gesetzlich anerkannt. Nachdem sie über einen längeren Zeitraum nicht aktiv war, ist dieser Status nach Auskunft des zuständigen Ministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur erloschen.
Kriterien, wann und warum Religionsgemeinschaften anerkannt werden müssen, gibt es erst seit 1997. Bis dahin hatte es keinen Rechtsanspruch gegeben. Diesen Anspruch erzwangen sich die Zeugen Jehovas mit mehreren Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Resultat war das Bekenntnisgemeinschaftsgesetz, das ein dreistufiges System vorsieht. 2010 wurde das Gesetz reformiert und baute weitere Hürden auf, um einer Religionsgemeinschaft die gesetzliche Anerkennung zu erschweren.
Als Konfessionsfreier fragt man sich manchmal, was für ein Aufheben die Religionsgemeinschaften darum machen, staatlich anerkannt zu sein. Wenn ich an einen Gott glaube, dann kann es mir doch eigentlich vollkommen egal sein, ob das der Staat anerkennt oder nicht? Das ist doch meine Privatsache?
Wer das meint, der irrt, denn der Unterschied zwischen den staatlichen anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und denen, die nicht anerkannt sind, ist ein gewaltiger: Sie haben nicht unerhebliche (Vor-)Rechte gegenüber den staatlich nicht anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften.

Die folgenden Privilegien haben nur die staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (alle anderen nicht):
Allgemein:
•    Schutz vor Herabsetzung des Ansehens bei Veranstaltungen (Niederösterreich)
•    Verfassung anerkennt Bedeutung der Religionen für religiöse und sittliche Grundlage des menschlichen Lebens (Vorarlberg)
Schulwesen:
•    Beratende Stimme im Kollegium des Landesschulrats
•    Mitgliedschaft im Schulausschuss für die Religionsgemeinschaft, der die Mehrheit der Schüler angehört
•    staatlich finanzierter Religionsunterricht
•    automatische Verleihung des Öffentlichkeitsrechts für konfessionelle Privatschulen
•    Subventionierung  der Lehrer an konfessionellen Privatschulen
Medien:
•    Sitz im Beirat der KommAustria
•    Sitz im Stiftungsrat des ORF
•    Sitz im Publikumsrat des ORF (nur katholische und evangelische Kirche)
•    Bedeutung der Religionsgemeinschaft vom ORF bei Programmplanung zu berücksichtigen
Seelsorger:
•    befreit von Stellungspflicht und Wehrpflicht
•    befreit von der Leistungspflicht nach Militärbefugnisgesetz
•    befreit von der Bürgerpflicht zum Geschworenen- und Schöffenamt
•    befreit von Leistungspflicht in Pflichtfeuerwehren (Tirol)
•    Anrechnung von Seelsorgetätigkeit als Ruhegenussvordienstzeit (z.B. für Beamtenpension, ÖBB-Pension)
•    ausgenommen vom Erfordernis einer Bewilligung laut Aufenthaltsgesetz
•    ausgenommen vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes
•    ausgenommen von Arbeitnehmerschutzgesetz und Arbeitsinspektionsgesetz
Schutz religiöser Riten:
•    Strafgefangene haben Möglichkeit zur Trauung vor Seelsorger
•    Möglichkeit zur Abweichung von üblichen Aufbahrungsbestimmungen aufgrund religiöser Vorschriften
•    Möglichkeit, einen Friedhof zu errichten und zu betreiben
•    Möglichkeit zur Bestattung außerhalb eines Friedhofs aufgrund religiöser Vorschriften (Vorarlberg)
•    Seelsorger darf Bestattung auf Friedhofsgelände leiten / Kulthandlungen anlässlich Bestattung auf Friedhöfen erlaubt
•    Möglichkeit zur Abweichung von üblichen Tierschutzbestimmungen aufgrund religiöser Vorschriften (z. B. Steiermark)
•    Unpfändbarkeit von für den Gottesdienst verwendeten Ge-genständen
Veranstaltungen der Religionsgemeinschaften:
•    ausgenommen vom Veranstaltungsgesetz (Niederösterreich: religiöse Veranstaltungen; Tirol: alle Veranstaltungen)
•    Befreiung von Gewerbeordnung für Speisen- bzw. Getränkeausschank bei Veranstaltungen, deren Ertrag religiösen Zwecken zugutekommt
•    ausgenommen vom Campinggesetz (Tirol)
•    Teilnehmer an religiösen Veranstaltungen von Aufenthaltsabgabe befreit (Tirol)
•    religiöse Veranstaltungen von Vergnügungssteuer befreit (z. B. Wien)
•    Befreiung vom Erfordernis einer Gebrauchserlaubnis für Benutzung öffentlichen Grunds für religiöse Zwecke (Niederösterreich)
Sonstige soziale Aktivitäten:
•    Möglichkeit zur Zertifizierung als Kursträger für Alphabetisierungs- und Deutsch-Integrationskurse
•    Möglichkeit der Mitgliedschaft in einem vom Innenministerium gegründeten Verein zur Förderung des Auslandsdienstes
•    Mitgliedschaft der größten Jugendorganisationen im Präsidium der Bundes-Jugendvertretung
•    Seniorenveranstaltungen subventioniert (Niederösterreich)
•    Möglichkeit zum Abschluss von befristeten Hauptmietverträgen zur gemeinnützigen Wohnraumbeschaffung als Zwischennutzung bis zu einer geförderten Sanierung
Vermerk des Religionsbekenntnisses auf Urkunden:
•    Religionszugehörigkeit auf Schulzeugnissen vermerkt
•    Religionszugehörigkeit auf Personenstandsurkunden vermerkt
·    Explizite Ausnahme von der Anwendung des „Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen“ (BGBl. I 150/1998) (s. §1 Abs 2)
Steuern:
•    Pflichtbeiträge an Religionsgemeinschaften im Ausmaß von bis zu 400 Euro jährlich steuerlich absetzbar
•    Begünstigung bei Schenkungs- und Erbschaftssteuer (nur mehr theoretisch, da sowohl Erbschafts- als auch Schenkungssteuer vom VfGH aufgehoben wurden)
•    Grundsteuerbefreiung für Gebäude, die für Gottesdienste, Verwaltungsaufgaben oder als Altenheim genutzt werden
•    Befreiung von der Gesellschaftsteuer
•    Befreiung von Überwachungsgebühren für Dienste öffentlicher Sicherheitsorgane bei Veranstaltungen
•    Befreiung von (Vorarlberg) bzw. Begünstigung bei Landes- und Gemeinde-Verwaltungsabgaben (z. B. Wien, Oberösterreich)
•    Befreiung von Fremdenverkehrsabgabe (Kärnten)
Finanzierung:
•    Möglichkeit zur Durchführung von Nummernlotterien, Tombolaspielen u. ä.
•    ausgenommen von den Bestimmungen der Sammlungsgesetze
•    ausgenommen vom Stiftungs- und Fondsgesetz
Datenschutz:
•    Religionsgemeinschaften erhalten auf Verlangen die Meldedaten der sich zur jeweiligen Gemeinschaft bekennenden Personen

Einiges davon wird im Verlaufe dieses Buches immer wieder einmal eine Rolle spielen.
Eine Besonderheit der österreichischen Rechtslage ist der Status der religiösen Bekenntnisgemeinschaften. Als solche gelten – im Allgemeinen – kleinere Religionsgemeinschaften wie die Aleviten und die Baptisten. Diesen Status kann man als Vorstufe zur „anerkannten Religionsgesellschaft“ betrachten. Nach zehn Jahren kann das Kultusamt im Unterrichtsministerium einer „Bekenntnisgemeinschaft“ den privilegierten Status als „anerkannte Religionsgesellschaft“ zuerkennen. Die Bekenntnisgemeinschaften wurden geschaffen, um, wie die Autoren des Gesetzes inoffiziell freimütig bekennen, die Anerkennung der Zeugen Jehovas hinauszuzögern.
Die dritte Kategorie sind die „religiösen Vereine“, die – zumindest potentiell – eine Vorstufe zu den „Bekenntnisgemeinschaften“ darstellen. „Religiösen Vereinen“ ist ebenso wie „Bekenntnisgemeinschaften“ gemein, dass sie im Wesentlichen keine Privilegien genießen, mit Ausnahme einiger weniger steuerlicher Befreiungen, die allerdings kaum ins Gewicht fallen dürften.
Den Löwenanteil der direkten und indirekten Subventionen bekommt in Österreich die römisch-katholische Kirche. Das liegt an der Größe: Ende 2011 waren 5,41 Millionen ÖsterreicherInnen katholisch, das sind einerseits viele aber andererseits mittlerweile weniger als 65 Prozent der Bevölkerung.
Die zweitgrößte Gruppe nach Religionsbekenntnis sind die Muslime, zu denen (2010) rund 500.000 Menschen gehören sollen. (Bei der Volkszählung 2001 waren es nach den Angaben von Statistik Austria 338.988 Personen bzw. 4,2 Prozent der Bevölkerung). Davon ist allerdings nur etwa ein Viertel bei der gesetzlichen Vertretung, der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) registriert. Unklar ist auch, wer als Muslim gezählt wurde, da es keine formalen Zugehörigkeiten im Islam gibt – handelt es sich um Menschen, die sich selbst als Muslime bekennen, d.h. auch alle ‚kulturellen Muslime, die sich nicht als religiös verstehen, oder pauschal alle Menschen aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit bzw. mit muslimischem Elternteil? Und warum wird bei den Muslimen nicht zumindest nach Sunniten (mit den vier Rechtsschulen der Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten und Schafiiten), den Schiiten und Aleviten unterschieden, wenn jede kleine christliche Gruppe extra gezählt und genannt wird?
Eingetragene ProtestantInnen gibt es laut eigener Zählung 2011 insgesamt 319.752 (312.252 Lutheraner, A.B. und 7.500 Reformierte, H.B.), den orthodoxen Kirchen gehören etwa 150.000 Menschen an.
Wie sehr sich die Zeiten zum Positiven und zur Religionsfreiheit verändert haben, auch zu der Möglichkeit frei von einer Religionszugehörigkeit zu sein, mag noch ein kurzer Rückblick verdeutlichen.
In der Zeit der Diktatur der sogenannten Klerikalfaschisten unter der Führung des Kanzlers Dollfuss (1933-1938) und lobender Kommentierung durch Kirchenfürsten wurde im August 1933 hinsichtlich des Kirchenaustritts verfügt: „Die Behörde hat sich in jedem Fall der Erklärung des Austritts aus einer Kirche oder Religionsgesellschaft über die Identität der Person des Anmeldenden und ob er das 14. Lebensjahr zurückgelegt hat, Gewissheit zu verschaffen und sich weiteres zu vergewissern, ob sich der Austretende im Zeitpunkt der Abgabe der Austrittserklärung nicht etwa in einem Geistes- oder Gemütszustand befunden hat, der die eigene freie Überzeugung ausschließt.“
Diese Zeiten, als Konfessionsfeie oder Atheisten („Pfui Deibel!“) als möglicherweise geisteskrank galten, sind, zumindest offiziell, vorbei.

 

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