Bochumer Studentenzeitung
Vermögen der Kirchen
Wenn ich dann alle Summen zusammenrechne, um das vom mir erfasste gesamte Vermögen der Kirchen zu errechnen, dann zeigt mein Taschenrechner eine Null an. Er hat nämlich nur zwölf Ziffern auf dem Display", so der Hamburger Politologe Carsten Frerk am letzten Donnerstag bei einer Veranstaltung im Bahnhof Langendreer. Er stellte die Ergebnisse seiner Untersuchung Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland vor. Er beziffert Einkommen und Vermögen der beiden großen christlichen Kirchen, das er ausfindig machen konnte, auf knapp 1,3 Billionen DM.
Kaum jemand weiß noch, dass Konrad Adenauer in der Zeit, als die Union die absolute Mehrheit im Bundestag hatte, die sozialen Einrichtungen faktisch an die Kirchen übergeben hat (Subsidiaritätprinzip). Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime werden seitdem zu 100 Prozent durch öffentliche Mittel und Beiträge der Kassen finanziert. Viele Menschen denken irrtümlich, dass sich die Kirchen materiell nennenswert sozial engagieren.
Die Mär vom sozialen Engagement
Die Recherchen von Frerk ergeben, dass die Kirchen und ihre Einrichtungen nur im „unteren einstelligen Prozentbereich" ihre Gelder für soziale Zwecke verwenden. Von den 1,35 Millionen hauptamtlichen MitarbeiterInnen der Kirchen werden nur 16,3 Prozent von den Kirchen bezahlt. Aber auch für die mehr als 80 Prozent der übrigen Beschäftigten gilt, dass sie den Sonderbestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes unterliegen und z. B. keinen Betriebsrat haben.
Kirchlicher Betrieb bedeutet auch: MitarbeiterInnen, die sich scheiden lassen, können gefeuert werden. Wer nicht in der Kirche ist, erhält hier in aller Regel erst gar keinen Job in Einrichtungen, die zu 100 Prozent öffentlich finanziert werden.
Wer aus der Kirche austritt und dann glaubt, sie nicht länger finanziell zu unterstützen, irrt sich gewaltig. Während die beiden großen Kirchen ca. 18 Milliarden Mark durch Kirchensteuern von ihren Mitgliedern einnehmen, erhalten sie aus öffentlichen Haushalten noch einmal mehr als 39 Milliarden DM zusätzlich.
Öffentliche Gelder für Kirchen
Frerk hat ausgerechnet, dass aus dem Landeshaushalt NRW 128 DM pro EinwohnerIn und Jahr (insgesamt 2,3 Milliarden) an die Kirchen gezahlt wird. Selbst in Bayern sind es dagegen nur 103 DM (insgesamt 1,2 Milliarden).
In Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen, im Strafvollzug, bei der Polizei, dem Bundesgrenzschutz oder der Bundeswehr wird die „Seelsorge" aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Dabei gibt es erhebliche Steigerungsraten: Im Militärhaushalt waren 1956 für die Militärseelsorge 2.355.000 DM vorgesehen. 1966 waren es schon 15.648.000 DM und 1986 bereits 46.534.000 DM. In der seitdem verkleinerten Bundeswehr wurden im Jahr 2000 immerhin 53.688.000 DM im Haushalt aufgeführt.
Beide Kirchen, so hat der Autor errechnet, besitzen alles in allem 6,8 Milliarden Quadratmeter Grund und Boden - etwa dreimal so viel wie Bremen, Hamburg, Berlin und München zusammen. Allein auf evangelischem Boden stehen 75 062 Gebäude. Die Katholiken vermochten keine Zahl zu nennen.
Christliche Banden
Einen Teil ihres Geldes deponieren die beiden christlichen Konzerne auf zwölf kirchlichen Banken. Frerk beziffert allein diese Einlagen auf insgesamt 42 Milliarden Mark. Er schätzt, dass ein Großteil der kirchlichen Gelder bei ganz normalen Kreditinstituten lagert und daher auch nicht nachweisbar ist.
Das Buch von Frerk ist eine absolute Fleißarbeit. Wer ihn bei seinem Vortrag erlebte, merkte, dass er mehrere Jahre intensivst recherchiert hat und in seinem Buch nur einen Teil seiner Ergebnisse veröffentlicht. „Sonst wäre es zu dick und zu teuer geworden". Beide Großkirchen haben inzwischen erklären lassen, dass sie die Zahlen von Frerk nicht in Zweifel stellen. Sie selbst räumen ein, dass sie nicht so viel Überblick über ihre weitverzweigten Konzernteile haben. Wahrscheinlich haben sie auch kein Interesse daran, dass die vollständigen Zahlen zusammengetragen werden. Selbst für Insider, die den Bereich der staatlichen Subventionierung der Kirchen kannten, ist das Buch absolut interessant. Was in den Kapiteln „Medienunternehmen", „Grundbesitz und Immobilien", „Baufirmen und Siedlungswerke", „Banken", „Versicherungen", „Klosterbräu und Bischofswein", „Handelsunternehmen" oder „Touristik, Hotels und Gastronomie" an kirchlichen Firmen und Geschäften aufgelistet wird, ist in dieser Form absolut neu.
Die erste Auflage ist bereits vergriffen und die zweite auf dem Markt. Das Buch ist im kirchenkritischen Alibri-Verlag erschienen. Damit ist sichergestellt, dass nicht passiert, was der christliche Konzern schon mit anderen unliebsamen Büchern gemacht hat. Da haben sie einfach die Rechte am Buch und die gesamte Auflage aufgekauft. Das Buch beweist, dass sie dergleichen aus der Portokasse bezahlen können.
Paul Merker
Carsten Frerk: „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland". Alibri Verlag, Aschaffenburg; 436 Seiten; 24,50 Euro.
Das Buch ist am Notstand im Mensa-Foyer und im Bahnhof Langendreer vorrätig.
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