Trierischer Volksfreund, Samstag, 23. März 2002
TV -Interview: Warum sich der Klerus gerne ärmer macht, als er in Wirklichkeit ist
TRIER. Die Kirche weiß gar nicht, wie reich sie ist, glaubt der Politologe Carsten Frerk. "Die Kirchenvertreter jammern auf einem sehr hohen Niveau", sagt er im TV -Interview.
Herr Frerk, die Bistümer jammern, dass die Kirchensteuer-Einnahmen rückläufig sind und kündigen an, ihre Aufgaben zu überprüfen. Können Sie die Wehklagen verstehen?
Frerk: Von 1992 bis 1998 sind die Kirchensteuer-Einnahmen tatsächlich gesunken. Aber seit '98 steigen sie wieder. Es gab zuvor eine Phase, wo sich wegen der Sonderabschreibungen Ostdeutschland die Einkommensteuer reduzierte und damit auch die Kirchensteuer. Weil diese Phase aber ausläuft, steigen auch Einkommens- und Kirchensteuern wieder.
Herr Frerk, Sie haben mit Ihrem Buch versucht, etwas Licht in das Dunkel der kirchlichen Besitztümer zu bringen. Warum mauern die Kirchen in diesem Bereich so stark?
Frerk: Zum einen sind die Kirchen nicht eine Einheit. Sie zerfallen vielmehr in eine Vielzahl von Rechtsträgern. Jede Kirchengemeinde, jedes Dekanat und jedes Bistum ist ein eigener Rechtsträger mit eigenem Haushaltsplan. Die Kirchen selbst haben von daher keinen Überblick, welches Finanzvolumen sie insgesamt bewegen.
Steckt dahinter nicht auch System?
Frerk: Ich glaube nicht, dass etwas bewusst verschleiert werden soll. Nehmen wir als Beispiel die Caritas, die im Kulturkampf zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche aufgebaut wurde. Mit der eigenen Rechtsträgerschaft sollte sie dem staatlichen Zugriff entzogen werden. Im Dritten Reich war dies auch ein Schutz für derartige Einrichtungen, weil sie nicht zentral gleichzuschalten waren. Später gab es keinen Grund, dies zu ändern.
Dennoch: Jeder Konzern in Deutschland muss eine Bilanz erstellen, in der Vermögen, Gewinn und Verlust aufgelistet werden. Warum nicht die Katholische Kirche?
Frerk: Sie ist dazu nicht verpflichtet. Die Kirchen stehen traditionell neben dem Staat und sind wegen ihrer Struktur (eigene Gerichtsbarkeit, Steuerhoheit) gleichsam ein Staat im Staate.
Jammern die Kirchenvertreter nur auf hohem Niveau, oder sind Sie wirklich arm wie Kirchenmäuse?
Frerk: Sie jammern auf einem sehr hohen Niveau. Je höher die Position des kirchlichen Amtsträgers, um so stärker auch seine Lobbyistenrolle. Da wird dann nicht mehr unbedingt das erzählt, was richtig ist. Es gibt ein schönes Zitat vom Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff: "Ich bin dagegen, dass man die Finanzsituation als schlecht bezeichnet. Die Schwierigkeit ist, mit weniger auszukommen. Das fällt reichen Leuten auch schwer. Ich sage immer: Es ist die Schwierigkeit zu entscheiden, ob man das Zweithaus in der Schweiz oder in der Eifel aufgibt – eines muss man aufgeben. Und in dieser dramatischen Situation befinden sich die Kirchen." Feldhoff hat übrigens auch öffentlich vorgerechnet, dass nur ein geringer Teil der kirchlichen Mitarbeiter von den Kirchen selbst finanziert wird.
Der neue Trierer Bischof Reinhard Marx hat sich immer wieder kritisch über Aktienfieber und Spekulationen geäußert. Andererseits besitzt die Katholische Kirche selbst Banken und legt auch eigene Fonds auf. Passt das zusammen?
Frerk: Ja. Kirche sind vier Organisationen, die nach Außen zwar als Einheit erscheinen, aber intern unterschiedlich sind. Erstens ist sie eine Bekenntnisgemeinschaft, zweitens eine juristischen Person, drittens ein Steuerverband und viertens Eigentümer oder Besitzer von Wirtschaftsunternehmen. Als einer der nach dem Staat größten Arbeitgeber muss natürlich auch die Kirche Rücklagen bilden. Das ist nicht das Problem. Die Frage ist nur, warum der Eindruck entstanden ist, die Kirche sei arm. Forciert nicht die Kirche selbst diesen Eindruck, indem sie öffentlich überlegt, wegen sinkender Kirchensteuer-Einnahmen womöglich Kindertagesstätten und andere konfessionelle Einrichtungen schließen zu müssen? Oder entsteht der Eindruck, weil an viele kirchliche Aktivitäten sofort ein Spendenaufruf angehängt wird?
Wenn über das segensreiche Wirken der Katholischen Kirche gesprochen wird, verweisen die Verantwortlichen gerne auf die von ihnen betriebenen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser. Ist das nicht Etikettenschwindel, stammt doch deren Finanzierung größtenteils aus öffentlichen Kassen?
Frerk : Es ist Etikettenschwindel. Wenn irgendwo katholisches Krankenhaus draufsteht, erwarten die Leute auch, dass es überwiegend von der Kirche finanziert wird. In Wirklichkeit werden Krankenhäuser und Altenheime aber komplett über die öffentlichen Pflegesätze finanziert, und es fließt kein Euro Kirchensteuer in diese Einrichtungen.
Das 100-prozentige Kommando hat aber die Kirche…
Frerk : Das ist in der Gesellschaft immer umstrittener, gerade weil im kirchlichen Bereich Tarifverträge und Mitarbeiterrechte frei gestaltet werden können und sich nicht etwa am Betriebsverfassungsgesetz orientieren.
Würde es die öffentliche Hand teurer kommen, wenn sie die Einrichtungen von der Kirche übernähme?
Frerk : Schwer zu sagen. Auf ganz Deutschland bezogen finanzieren die Kirchen ihre konfessionellen Einrichtungen mit rund 1,5 Milliarden Mark eigenen Mitteln. Diese Kosten müsste der Staat übernehmen, wenn er die Kirchen von ihrer "Last" befreien wollte. Durch den Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe in der Einkommenssteuer hat der Staat im Jahr 2000 auf 6,8 Milliarden Mark verzichtet. Würde er diese indirekte Subventionierung im Gegenzug streichen, hätte er insgesamt immer noch ein Plus.
Sie haben sich drei Jahre mit dem Thema Kirchenvermögen befasst. Wie lautet ihr Resümee?
Frerk : Es wäre für die Glaubwürdigkeit der Kirchen besser, wenn sie die Finanzen in der Öffentlichkeit transparenter machen würden. Auch deshalb, weil die Glaubwürdigkeit für die Kirchen ja auch eine gesellschaftliche Prämisse ist. Aber diese Idee steht vermutlich im Widerspruch zu dem Satz: "Glauben heißt nicht wissen." Also wer glaubt, der braucht auch nichts zu wissen.
Mit Carsten Frerk sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz.
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